Klang des Geistes
Yoko Ono im K 20
Yoko Ono steht im Zentrum einer Ausstellung im K20. In Kooperation mit Tate Modern in London ist das Werk dieser besonderen Konzept- und Fluxuskünstlerin umfänglich zu entdecken. Mit der Art:Card geht das kostengünstig und bequem.
Sie ist die Frau, mit der der Beatle John Lennon 1969 ein „Bed-In for Peace“veranstaltete und sich so für den Frieden einsetzte. Zwischen Yoko Ono und John Lennon hat wohl eine symbiotische Beziehung bestanden – in der Ausstellung „Yoko Ono - Music of the Mind“ ist das zu erleben, etwa wenn an einer Hörstation in das „Wedding Album“ der beiden hineingehört wird. Ein Soundtrack der Herzschläge der beiden, einher geht das mit dem gleichzeitigen Rufen des Beatles nach Yoko und dem Rufen Yokos nach John.
Aber Yoko Ono ist nicht einfach die Frau von John Lennon – und damit fertig. Nein, sie ist seit den 50er Jahren eine eigenständige, wichtige Aktions- und Fluxuskünstlerin. Das rückt die Ausstellung im K20 ins Zentrum. Zu entdecken sind da die „Instructions“ der 50er Jahre. Weiter sind Stücke zu erleben, die das gesellschaftliche Engagement Yoko Onos deutlich machen – Yoko Ono ist bis heute Friedensaktivistin, tritt für Frauenrechte und Feminismus ein, nimmt sich drängender politischer Fragen an, nicht sinnierend, sondern mit ihrer künstlerischen Praxis, performativ, Menschen und ihr Denken aktivierend. Und natürlich ist Yoko Ono auch Musikerin.
Stichwort Aktion: Die Ausstellung macht gleich mehrfach (über Fotos, Film und Orginaltext) bekannt mit dem „Lighting Piece“, die erste der „Instructions“ aus dem Herbst 1955: „Light a match and watch till it goes out“ [Zünde ein Streichholz an und beobachte es, bis es ausgeht].
Stichwort Feminismus: Das „Cutting Piece“ von 1964 (gefilmt bei einer Aufführung 1965): Yoko Ono lässt sich von Personen aus dem Publikum mit einer Schere Stücke aus ihrer Kleidung schneiden. Unangenehm berührt, grübelnd schaut man dem Geschehen zu.
Stichwort Musik: Musikalben weisen auf die Musikerin Yoko Ono hin. Schon in den 60er Jahren war sie Grenzgängerin im Musikalischen zwischen Performance und Musikaufführung. Daran erinnern Fotos, die sie mit John Cage, David Tudor, Jackson MacLow zeigen.
Stichwort Friedensaktivistin: In den 80er Jahren klebt sie Plakate – zum Beispiel in der Londoner Shaftsbury Avenue unweit des Picadilly Circus: „War is over! If you want it / Happy Christmas from John and Yoko“. 2019 zeigt Yoko Ono ein weißes Flüchtlingsboot. Das Publikum soll im Sinne einer Intervention das Boot mit Friedensbotschaften vollschreiben oder sonstwie gestalten – in blauer Farbe, der Farbe des Meeres, des Himmels. Jetzt ist das Boot-Stück für das K20 erneuert worden. Das weiße Boot steht in einem kleinen weißen Raum und wartet darauf, dass Besucher und Besucherinnen es beschriften, bemalen, verändern.
Typisch für Yoko Onos künstlerische Praxis und für deren Präsentation ist, dass Besucherinnen und Besucher aufgefordert werden, aktiv zu sein. Wer sich darauf einlässt, macht besondere Erfahrungen. Etwa beim „Bag Piece“ (von 1964, für die Ausstellung erneuert). Besucher und Besucherinnen steigen in einen schwarzen Sack und können alles mögliche machen, sich hin- und herbewegen und lassen so eine sich verändernde Skulptur entstehen. An anderer Stelle wird aufgefordert, Schach zu spielen. Sämtliche Figuren sind jedoch weiß, irgendwann verliert man den Überblick und weiß nicht mehr, welches die eigenen und welches die Figuren des gegenüber sitzenden Spielers sind. Lassen sich Konflikte besser auflösen?
Vieles passiert im Inneren der Betrachter und Betrachterinnen – das erklärt auch den Titel: „Music of the Mind“. Das bezieht sich auf den Gedanken, dass lautlose Musik nach Anleitungen Vorstellungen bei denen, die sie lesen, hervorrufen. „Für mich gibt es nur einen einzigen Klang“, sagt Yoko Ono, „den Klang des Geistes“. Die Ausstellung möchte gerade das erreichen: die Kraft des Geistes aktivieren und den Geist klingen lassen.
Das, was das K20 zeigt, ist keine Ausstellung, die es bei reinem Schauen belässt, sondern eine, die durchaus eine Geistesbewegung erreicht, initiiert von einer der großen und wichtigen Künstlerinnen des 20. und noch frühen 21. Jahrhunderts.
Das K20 macht deutlich, dass die mittlerweile 91jährige Yoko Ono – Wandlerin zwischen den Welten Japans, der USA und Europas – zu den bedeutenden Künstlerinnen gehört und dass die Geschichte der Kunst nicht allein eine Geschichte der (männlichen) Maler, Bildhauer, Aktionskünstler ist, sondern eine Geschichte, in der Künstlerinnen einen lange (hauptsächlich von Männern) nicht wahrgenommenen wichtigen Platz haben. Das zeigte das K20 jüngst schon bei Ethel Adnan und Hilma af Klint – und jetzt mit Yoko Ono.
Yoko Ono. Music of the Mind. Kunstsammlung NRW K20, Grabbeplatz 5, Düsseldorf. Bis 16. März 2025.
Dr. Ulrich Erker-Sonnabend
